Deutschland hat gewählt – doch welche Partei vertritt welche Position, wenn es um die von der EU-Kommission angemahnten Vorbehaltsaufgaben der Steuerberaterinnen und Steuerberater (vgl. Vertragsverletzungsverfahren 2018/2171) und die vom BVBC lange geforderte Befugniserweiterung für selbstständige Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhalter geht? Ein Überblick.
Anfang Juni hat der BVBC insgesamt acht Wahlprüfsteine an die im Bundestag vertretenen Parteien versendet (vgl. News vom 06.09.2021). Mit Ausnahme der AfD haben sich alle zu den gestellten Fragen geäußert. Die Positionen zu einer möglichen Änderung des Steuerberatungsgesetzes und einer damit einhergehenden Beufgniserweiterung für selbstständige Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhalter sind im Folgenden auszugsweise zusammengefasst. Die kompletten Parteiantworten gibt es online unter t1p.de/bw2021.
Grüne/Bündnis 90
„[…] Grundsätzlich ist der Erhalt der Vorbehaltsaufgaben an einigen Stellen richtig. Allerdings ist dies aus unserer Sicht nur da notwendig, wo es um den besonderen Schutz der Mandant*innen geht. Wo der Schutzbedarf aufgrund einer geringeren Komplexität der Tätigkeiten im Vergleich zur freien Berufsausübung nicht höher zu gewichten ist, wie bspw. bei der Erstellung von Lohnsteuerbescheinigungen und der Umsatzsteuervoranmeldungen, halten wir Anpassungen, insbesondere zur Schaffung einer EU-konformen Rechtslage, für erforderlich. […]
Aus unserer Sicht sollten die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldung, die Einrichtung der Buchhaltung sowie die Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten auch durch selbstständige Bilanzbuchhalter*innen durchgeführt werden dürfen. Im Übrigen sollte eine Überprüfung ausgehend von der Komplexität der zu erledigenden Aufgaben und anderer Ausnahmen im Verhältnis zum Schutzbedürfnis der Mandant*innen offen diskutiert werden. […]
[Unterscheidung Angestellte/Selbstständige:] Die bestehenden Regelungen sind teilweise in sich nicht schlüssig. Eine Überprüfung ist deshalb durchaus angebracht. Allein an diesem Beispiel zeigt sich, dass bestimmte Tätigkeiten durchaus erbracht werden können, ohne dass eine Vollqualifikation als Steuerberater*in erforderlich ist. […]
In der Vergangenheit haben wir GRÜNE an geeigneter Stelle, insbesondere im Hinblick auf die Erstellung von Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen, rechtssichere Regelungen gefordert, die klarstellen sollen, dass diese Tätigkeiten nicht länger zu den Vorbehaltsaufgaben für Steuerberater*innen zählen und somit auch durch selbstständige (Bilanz- )Buchhalter*innen erbracht werden können. In der kommenden Wahlperiode werden wir das Thema gern erneut auf den Tisch bringen, um so auch eine Regelung zu schaffen, die mit den EU-rechtlichen Vorgaben in Einklang steht und das Vertragsverletzungsverfahren im Sinne eines freien und fairen Wettbewerbs unter Beachtung des erforderlichen Schutzbedürfnisses von Mandant*innen beendet.“
CDU/CSU
„[…] Bevor jedoch Befugnisse von selbständigen Buchhaltern und Bilanzbuchhaltern erweitert werden können, müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehören z. B. Anforderungen an die Qualifikation. Sie sind erforderlich zum Schutz der Verbraucher und zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs mit den Berufsträgern, die bereits Befugnisse z. B. zur Einrichtung der Buchhaltung oder zur Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldung haben. Es wären eine (erweiterte) Berufshaftpflichtversicherung sowie Regelungen zur Festsetzung der Entgelte erforderlich. Auch wäre zu prüfen, ob die Industrie- und Handelskammern, an die die selbständigen Buchhalter und Bilanzbuchhalter angebunden sind, die Instrumentarien haben, die einer Berufskammer vergleichbar sind. Schließlich steht jedem, der die Voraussetzungen erfüllt, grundsätzlich frei, die Prüfung als Steuerberater abzulegen. Für geprüfte Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte gilt dabei als Zulassungsvoraussetzung eine kürzere praktische Tätigkeitszeit als für andere Berufsgruppen. In dem Zusammenhang können selbständige und angestellte Bilanzbuchhalter auch nicht miteinander verglichen werden. Angestellte Bilanzbuchhalter arbeiten Steuerberatern gerade zu, die den erbrachten Dienstleistungen durch ihre Tätigkeit ihr Gepräge geben.“
Die Linke
„[…] Die Befugnisse der selbständigen (Bilanz-)Buchhalter*innen sollten im Steuerberatungsgesetz angepasst werden; auch um Rechtssicherheit herzustellen. […]
[Unterscheidung Angestellte/Selbstständige:] DIE LINKE hält es für ungerecht, dass im Vergleich zu ihren angestellten Kolleg*innen weniger Aufgaben übernommen werden dürfen - trotz gleicher Qualifikation. Wir befürworten daher eine Änderung des Steuerberatungsgesetzes, um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen. […]
DIE LINKE will, dass selbstständigen (Bilanz-)Buchhalter*innen zukünftig die Einrichtung der Buchhaltung, die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldung und vorbereitende Abschlussarbeiten erlaubt sein sollen. Zudem sollten selbstständigen (Bilanz-)Buchhalter*innen mit dem Begriff "Buchhaltung" auch werben dürfen, ohne die ihnen erlaubten Tätigkeiten im Einzelnen aufzählen zu müssen. Die Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG sowie die Bilanzerstellung für Betriebe bis zu einem Umsatz von 600.0000 Euro im Kalenderjahr sollte für selbstständige (Bilanz-)Buchhalter*innen erlaubt sein, aber an das Bestehen einer Zusatzprüfung geknüpft werden, um die Qualität des Beratungsangebots sicherzustellen. […]
Wir sehen durchaus noch Nachfragepotenziale für ein differenziertes Angebot von Hilfen in Steuersachen und können uns daher eine inhaltlich wie sachlich beschränkte Marktöffnung vorstellen. In diesem Sinne würden wir eine begrenzte Öffnung des Marktes für die geprüften Buchhalter/ Buchhalterinnen, Steuerfachwirte/ Steuerfachwirtinnen und Lohnsteuerhilfevereine begrüßen - unter der Voraussetzung des Nachweises entsprechender Qualifikationen (z. B. Zusatzprüfung).“
FDP
[…] „Diese besondere Zusammenarbeit [zwischen Steuerberatern und der Finanzverwaltung] sollte nicht so einfach gefährdet werden. […] Eine umfangreiche Überprüfung der unterschiedlichen Begrenzung der Aufgabenbereiche von angestellten und selbstständigen (Bilanz-)Buchhaltern halten wir für sinnvoll.“
SPD
„[…] Die Finanzpolitiker*innen der SPD verfolgen das Verfahren wegen seiner großen Tragweite für das Berufsrechts von Beginn an. Es lässt sich aber erst nach Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens beurteilen, welche Schlussfolgerungen für eine Neukonzeption des Katalogs der Vorbehaltsaufgaben gezogen werden müssen. […]
Unabhängig vom Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission müssen berufsrechtliche Regelungen immer wieder überprüft und an den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden. Dabei müssen die Belange der einzelnen Berufsgruppen mit dem Verbraucherschutz und den Anforderungen einer effizienten Steuererhebung abgewogen werden. Überholte Einschränkungen der Berufsausübung wollen wir beseitigen.“
⇒ Übersicht als PDF downloaden | zu den vollständigen Parteiantworten
Übersicht der unterschiedlichen Positionen
Partei | Haltung zur Befugniserweiterung | Unterscheidung Angestellte/Selbstständige |
Grüne/ Bündnis 90 | USt-VA, Einrichtung der Buchhaltung, Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten, plus ggf. weitere Überprüfung von Aufgaben notwendig | Unterscheidung sei teilweise nicht schlüssig. Überprüfung daher angebracht. |
CDU/CSU | Nicht ohne bestimmte Voraussetzungen, wie An-forderungen an die Qualifikation, (erweiterte) Berufshaftpflichtversicherung, Gebühren-Regelung, IHK als Berufskammer | Selbstständige und angestellte Bilanzbuchhalter könnten nicht miteinander verglichen werden. Da: „Angestellte Bilanzbuchhalter arbeiten Steuerberatern gerade zu, die den erbrachten Dienstleistungen durch ihre Tätigkeit ihr Gepräge geben.“ |
Die Linke | Ja, USt-VA, Einrichtung der Buchhaltung, Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten sowie nach Zusatzprüfung auch Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, Bilanzerstellung für Betriebe bis zu einem Umsatz von 600.0000 Euro; mehr Werbemöglichkeiten | Unterscheidung sei ungerecht; Befürwortung einer StBerG-Änderung zur Beseitigung der Ungleichbehandlung. |
FDP | Indirekte Ablehnung, da: Betonung des Stellenwerts von StB für Finanzverwaltung und Mandantschaft. „Diese besondere Zusammenarbeit sollte nicht so einfach gefährdet werden.“ | Umfangreiche Überprüfung der unterschiedlichen Begrenzung der Aufgabenbereiche von angestellten und selbstständigen (Bilanz-)Buchhaltern sei sinnvoll. |
SPD | Prüfung sei erst nach Ausgang des Vertragsver-letzungsverfahrens möglich. | Prüfung sei ebenso erst nach Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens möglich. |