Der BVBC hat, wie bereits vor einer Woche angekündigt, beim Bundesfinanzministerium (BMF) eine umfassende Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) eingereicht. Der Verband fordert qualifikationsgerechte Befugniserweiterungen, die Verfassungs- und Europarecht wahren, den Mittelstand verlässlich versorgen und ohne zusätzliche Bürokratie auskommen.
Ausgehend vom im August 2025 veröffentlichten Referentenentwurf des BMF zum Neunten StBerG-Änderungsgesetz (vgl. BVBC-Artikel vom 12.09.2025) hat der BVBC nun seine Stellungnahme eingereicht. Der Verband befürwortet die Reformziele, dringt aber auf präzise, qualifikationsbezogene Nachjustierungen, um Verfassungs- und Europarechtskonformität sicherzustellen, die Versorgung des Mittelstands zu stabilisieren und steuerberaterliche Ressourcen gezielt für Beratung und Gestaltung zu entlasten.
Hintergrund: EU-Verfahren und Vorläufer in der letzten Legislatur
Der aktuelle Anlauf steht in einer langen Linie politischer Bemühungen. Auslöser war 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, die Inkohärenzen im deutschen System moniert: Einerseits bestehen zahlreiche Ausnahmen für bestimmte Akteursgruppen, andererseits bleiben hochqualifizierte selbstständige Finance-Profis in zentralen, deklarationsnahen Tätigkeiten beschränkt. In der vergangenen Legislaturperiode lag zeitweise bereits ein Gesetzentwurf auf dem Tisch. SPD und Grüne trugen substanzielle Befugniserweiterungen mit, die FDP blockierte – der Vorstoß kam nicht zum Abschluss, wenig später zerbrach die Koalition. Mit dem neuen Referentenentwurf liegt nun erneut eine Chance vor, die bekannten Brüche rechts- und praxissicher zu schließen.
„Qualifikation muss der Maßstab der Befugnisse sein – nicht die Etikette des Akteurs,“ sagt BVBC-Geschäftsführer Kenan Häberle. „Wenn wir Befugnisse konsequent an nachgewiesene Ausbildung und Praxis binden, gewinnen Unternehmen, Verwaltung und Steueraufkommen zugleich – ohne zusätzliche Bürokratie.“
BVBC-Forderung: Dreistufen-Modell nach Qualifikation
Kern der BVBC-Position ist ein Dreistufen-Modell nach Qualifikation. Es stellt klar, was erfahrene Praxis längst zeigt: Wer die laufenden Geschäftsvorfälle bucht und Prozesse gestaltet, kann deklarationsnahe Aufgaben schneller und sicherer erledigen. Konkret fordert der BVBC, dass Buchhalterinnen und Buchhalter (Stufe I) neben den bestehenden Tätigkeiten die Umsatzsteuer-Voranmeldung erstellen und übermitteln sowie die Buchhaltung – einschließlich Software, Stammdaten und Verfahrensdokumentation – einrichten dürfen. Geprüfte Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirtinnen und Steuerfachwirte (Stufe II) sollen zusätzlich vorbereitende Abschlussarbeiten übernehmen, die Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) erstellen und Jahresabschlüsse für kleine Unternehmen im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB fertigen. Für Steuerberaterinnen und Steuerberater (Stufe III) bleibt die unbeschränkte Hilfeleistung unberührt – mit dem klaren Schwerpunkt auf Beratung, Gestaltung und der qualifizierten Vertretung in anspruchsvollen Verfahren, etwa bei Umwandlungen, Organschaften, internationalen Sachverhalten oder Konzern-/IFRS-Fragen.
Qualität ohne Mehrbürokratie
Damit die Öffnung rechtssicher und ohne Mehrlasten greift, schlägt der BVBC schlanke, qualifikationsbezogene Berufsgrundsätze für Stufe I und II vor: Sorgfalt nach GoB/GoBD, eine ausdrückliche Abgrenzungs- und Weiterleitungspflicht bei wertungs- oder gestaltungssensiblen Fällen sowie eine Dokumentation in angemessenem Umfang. Flankiert werden soll dies durch eine Fortbildungspflicht und eine verpflichtende Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Neue Behörden braucht es dafür nicht; vorhandene Kammerstrukturen können – falls der Gesetzgeber es für erforderlich hält – unterstützend einbezogen werden. „Wir setzen auf Qualität ohne Mehrbürokratie,“ so Häberle. „Die Regel ist Verantwortung in der Sache – nicht Verwaltung der Verantwortung.“
Rechtliche Leitplanken
Rechtlich argumentiert der BVBC entlang zweier Linien. Verfassungsrechtlich verlangt Art. 12 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wo immer möglich, mildere Berufsausübungsregeln statt pauschaler Zugangsmonopole. Zugleich schützt die Berufsfreiheit statusneutral: Tätigkeiten dürfen nicht allein deshalb untersagt werden, weil sie selbstständig erbracht werden – obwohl sie angestellt jedem zulässig sind. Europarechtlich adressiert das qualifikationsbezogene Modell genau jene Inkohärenz, die die EU-Kommission seit 2018 rügt: Es ordnet Befugnisse nach nachgewiesener Qualifikation – nicht nach der Kategorie des Akteurs – und schafft so Verhältnismäßigkeit.
Versorgungslage im Mittelstand
Von hoher praktischer Relevanz ist schließlich die Versorgungslage im Mittelstand. Vielerorts sind Steuerkanzleien am Limit; Annahmestopps und Mandatsabbrüche sind keine Seltenheit. Die Folge sind Unsicherheiten bei Fristen, Qualität und Aufkommen. Eine Öffnung an den richtigen Schnittstellen, dort wo die Daten entstehen, erhöht Tempo und Verlässlichkeit der Abgabe – ohne die steuerberatenden Berufe zu schwächen. Im Gegenteil: „Wenn Stufe I und II klar definierte Aufgaben übernehmen, kann Stufe III ihre knappen Ressourcen dorthin lenken, wo echte Beratungs- und Gestaltungsqualität gefragt ist,“ betont Häberle. „Das ist Arbeitsteilung im besten Sinn – und sofort wirksam.“
Der BVBC begleitet den Reformprozess seit Jahren mit fachlich fundierten Stellungnahmen, Gutachten, Beiträgen und direkten Gesprächen mit Ministerien, Abgeordneten und europäischen Institutionen. Die jetzt vorgelegte Stellungnahme enthält zudem konkrete Textvorschläge zur Änderung des § 6 StBerG sowie – als Angebot an den Gesetzgeber – eine optionale Evaluationsklausel, die Wirkungen nach Inkrafttreten anhand vorhandener Verwaltungs- und Statistikdaten überprüfbar macht. Für Oktober sind Gespräche mit Abgeordneten des Finanzausschusses terminiert, um die Vorschläge des BVBC im Detail zu erörtern
Damit die Reform diesmal gelingt, setzt der Verband auch auf die Unterstützung seiner Mitglieder. Persönliche Gespräche mit Abgeordneten vor Ort – insbesondere aus Union und SPD – wirken erfahrungsgemäß am stärksten, weil sie die Alltagsperspektive der Zuständigen in den Prozess tragen. Der BVBC stellt in Kürze wieder kompakte Argumentationshilfen bereit; wichtiger als ein Mustertext ist das konkrete Beispiel aus der Praxis: Fehlende Kanzleikapazitäten, Datennähe in der Buchhaltung, Fristensicherheit und die Aussicht, Steuerberatung dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert stiftet.
„Wir haben eine realistische, rechtsfeste und pragmatische Lösung auf dem Tisch,“ fasst Häberle zusammen. „Jetzt braucht es die qualifikationsgerechte Öffnung im Gesetz. Wir bringen die Praxisperspektive in unsere Gespräche mit Abgeordneten im Oktober ein – damit die Reform diesmal wirklich ankommt.“



